[Talk-at] ORF Newton über Kartografie: Interviewfragen

Andreas Labres list at lab.at
Wed Feb 29 04:24:12 UTC 2012


On Tue, 28 Feb 2012 15:33:13 +0100, Martin Vonwald (Imagic) wrote:
>Einige haben es ja schon mitbekommen: der ORF dreht einen kurzen Beitrag
>über OSM und wird für diesen Zweck auch ein Interview durchführen. Anbei
>die geplanten Interviewfragen. Falls euch passende Antworten dazu
>einfallen, wäre ich dankbar. Ich versuche dann die Antworten so zu
>kombinieren um OSM in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen.

Vorneweg eine Warnung (von jemandem, der solche Interviews schon gegeben
hat): Versuche nicht, irgendwas in irgendeinem Licht erscheinen zu lassen.
Das kommt nicht. Im Gegenteil. Bleibe Du selbst. Wenn Dich etwas
begeistert und das nicht gekünstelt ist, kommt es am allerbesten rüber!

Sonst müßtest Du schon ein sehr guter Schauspieler sein (dass man Dir das
Schauspielen nicht ansieht). Aber das hilft idF niemandem.

>Was ist OSM und warum kann ich mich als z.B. Mountainbiker oder Tourist
>auf Karten dieser Art verlassen?

Weil solche Einträge in aller Regel von Leuten gemacht werden, die das
selbst machen und denen es ein Anliegen ist. Jemand, der gern wandert,
zeichnet gerne Wanderwege ein (und zwar bevorzugt die, die er selber
gegangen ist, mit dem GPS). Und wenn der extremecarver irgendwelche MTB
tags einträgt, dann kann ein anderer Mountainbiker auf seinem Niveau am
allerehesten darauf vertrauen, "dass man da runterkommt" oder nicht.

>Sogar offizielle Stellen greifen gerne auf die Arbeit von OS-Mappern
>zurück - so stellt das LFRZ z.B. gratis über geoimage sehr genaue
>Orthofotos zur Bearbeitung zur Verfügung. Welche OSM-Projekte gibt es
>denn, die auf diese Kooperation zurückzuführen sind? Warum verlässt man
>sich auf die Arbeit von einigen unkontrollierten, engagierten OS-Mappern?
>Werden die Daten, die bei solchen Projekten gesammelt werden, irgendwie
>kontrolliert? (Da hätte ich gerne ein bis zwei besondere, aufregende
>Beispiele von Projekten und einen feurigen Vortrag, dass OSM Sachen kann,
>die die institutionalisierte Kartografie nicht kann (z.B. Rollstuhlwege
>durch die Stadt).)

Es sind die Betroffenen, denen es wichtig ist, dass die Daten richtig
sind. Ein Rolli-Fahrer auf der Suche nach einem WC ist froh über Einträge
in der http://wheelmap.org/ , er wird selber die Dinge eintragen, die er
weiß, wenn ihm das das System leicht macht. Aber auch ein Hotelier, der
einen Fokus auf Rolli-Fahrer legt, wird sich drum kümmern, dass "seine"
Einträge den Tatsachen entsprechen.

Oder jemand, der gern und oft Öffis benützt, dem ist es wichtig, dass auch
die Linie xy richtig eingezeichnet ist.

Es ist die Selbstkontrolle durch die Gemeinschaft, die funktioniert.
Wikipedia funktioniert, OpenStreetMap funktioniert auch.

>Sie haben mir mit der Karte von Gaza gezeigt, dass OSM dort hinkommt, wo
>teilweise nicht einmal Google hinblickt. OSM spielt in Krisen- und
>Katastrophengebieten eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, schnell neue
>Pläne zu erstellen. Wie sind solche akuten Hilfsaktionen organisiert?
>(Gibt es da z.B. so etwas wie eine Task Force, die dann gezielt in dieses
>Gebiet fährt, oder machen das Ansässige? Zusammenarbeit mit Militär u.Ä.?
>Gibt es solche Einsätze auch in Österreich zum Katastrophenschutz?
>Hochwasser o.Ä. )

Erst mal, die Quellen für OpenStreetMap sind
  * vor Ort mit dem GPS Tracks erheben/Notizen/Fotos machen
  * von Luftbildern digitalisieren
  * und "lokal knowledge" (ich weiß, dass dort dieser Waldweg ist,
    selbst wenn ich ihn auf dem Luftbild druch die Baumkronen nicht
    sehe; oder ich sehe, dass dieses Gebäude auf dem Luftbild
    mittlerweile - weil eingestürzt - nicht mehr existiert)
Je nachdem, es ist meist ein Mix aus diesen Quellen.

In die http://mapkibera.org/ tragen die Leute vor Ort ein, dass es "dort"
frisches Wasser gibt usw.

Oder im Fall Haiti gab es kurze Zeit später aktuelle Luftbilder und
/weltweit/ haben davon Mapper Dinge abdigitalisiert (eben weil man dazu
nicht vor Ort sein muß).

Zusätzlich gibt es das Humaniterian OpenStreetMap Team:
http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Humanitarian_OSM_Team
Die waren vor Ort in Haiti und haben für die Einsatzkräfte aktuelle Karten
gedruckt. Oder haben vor Ort Dinge erhoben.

Oder Helges Ouagadougou Projekt könnte man auch erwähnen
http://www.helge.at/2010/01/was-wurde-eigentlich-aus-openstreetmap-ouagadougou/

>Google oder Bing Map à was ist Ihnen sympathischer?

Das ist keine Frage der Sympathie. Microsoft (Bing) erlaubt uns die
Nutzung ihrer Luftbilder, Google nicht. Daher verwenden wir Bing
Luftbilder (aber auch die von geoimage.at oder wien.at oder wer uns sonst
welche zur Verfügung stellt), vgl.

http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Aerial_Imagery

>Wanderkarte vs. OSM vs. Navigerät à was ist überlegen? Inwiefern?

Naja, ein GPS Empfänger kann mir die Frage "Wo bin ich?" beantworten, auf
einer Papierkarte muß ich das selbst herausfinden. Und der Rest ist eine
Frage der - idF relevanten - Details (die Anforderungen von Autofahrern vs
von Wanderern sind unterschiedlich).

>Wie und wann ist OSM entstanden?

2004 von Steve Coast, weil es ihn genervt hat, dass Karten immer Geld
kosten.

>Wieviele Menschen arbeiten in Österreich ca. an OSM-Projekten?

Gibt's Haralds Statistik von der SOTM-EU (war auf der Papierkarte drauf)
irgendwo online?? Wenn ich sie finde, schreibe ich die Eckdaten auf...

Hier Pascals Statistik vom Juli 2011:
http://neis-one.org/2011/07/osm-evolution-austria/

Stand April 2011:
~~~~~~~~~~~~~~~~~
98% der Nodes von 1100 Mappern
98% der Ways von 870 Mappern
98% der Relations von 360 Mappern

>Welche Flecken in Österreich sind noch weniger gemappt?

Weniger besiedelte. Weil's da halt unter Umständen niemanden gibt, dem es
wichtig ist, dass "die Straße zum Huber-Bauern" in OSM aufscheint. Wobei
der Unterschied auch ist, interessieren mehr die Straßen oder was?
Innsbruck war letzten Sommer mit den Gebäuden fertig.

Die unbesiedelten Gebiete/Bergregionen würde ich nicht erwähnen, wie
wichtig ist es, dass ein Latschenfleckerlteppich in OSM wie wiedergegeben
wird? Und selbst da gibt's Leute, die Klippen, Höhleneingänge etc.
mappen...

>Wo soll sich OSM hinentwickeln? Was bringt die nahe Zukunft und was ist (noch) Utopie?

Ich sehe die nahe Zukunft in weiteren Details, Häuser, Adressen oder POIs
bei uns, überhaupt etwas in noch "leeren" Flecken der Erde (Afghanistan,
Malaysia, oder wo sich die HOT-Leute grade rumtreiben). Eine Entwicklung
scheint auch in-door/3D zu werden (wer's mag). Noch relativ utopisch -
wenngleich es auch da schon Ansätze gibt - scheint mir ein Blindenrouting,
wo dann die Gehsteigkante zentimetergenau verortet/angesagt werden kann.

Servus, Andreas




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