[Talk-at] mail vs. web
Friedrich Volkmann
bsd at volki.at
Fri Mar 23 23:17:21 UTC 2018
On 23.03.2018 18:28, Marcus MERIGHI wrote:
> Eh schon wieder einmal: eh schon alles gesagt worden zum Thema...
Ich glaube, auf den wesentlichen Unterschied wurde noch nicht hingewiesen:
Dass eine ML sich besser für Themen eignet, die sofort diskutiert werden
müssen (z.B. wenn in London eine Atombombe explodiert), aber dafür kurzlebig
sind; während ein Webforum sich besser für langatmige Diskussionen (z.B. wie
mappt man Adressen) eignet, wo alle paar Tage mal jemand was dazuschreibt
und auch Jahre später jemand die Diskussion noch weiterführen kann.
Denn ein neues E-Mail poppt am Computer (oder Handy) dem Empfänger gleich
mal ins Gesicht, während ein neuer Beitrag im tausendsten Thread im
hundersten Unterforum unbemerkt dahinschlummert, bis man nach ein paar
Monaten wieder in dieses Unterforum hineinschaut. Dass moderne Webforen das
Feature einer E-Mail-Benachrichtigung bei einer neuen Antwort bieten, sagt
schon alles.
Es ist der gleiche Unterschied wie im Vor-Computerzeitalter zwischen einem
schwarzen Brett und einem Eilboten, der an die Tür klingelt.
Es kann lästig werden, wenn ein Eilbote 10x am Tag an die Tür klingelt, und
genauso ist eine Mailingliste nicht sehr zweckmäßig, wenn hunderte neue
Beiträge am Tag daherkommen, wie das zeitweise in der Tagging-Mailingliste
der Fall war. Es wär besser, dort würden nur die RFCs und CFVs gepostet
werden, und die Diskussionen würden im Wiki bzw. in einem Webforum
stattfinden. Denn wenn in einer Mailingliste der Traffic so hoch wird, dass
man sich einen Order dafür einrichtet, in dem sich tausende ungelesene
Messages sammeln, die man vorhat irgendwann in den übernächsten Ferien
durchzulesen, dann geht der eingangs beschriebene Vorteil einer Mailingliste
verloren, und es bleiben nur die Nachteile.
Insofern finde ich es sogar gut, dass auf Talk-AT nicht viel los ist.
Es gibt übrigens noch eine dritte Möglichkeit, nämlich sogenannte
Newsgroups, klassischerweise im Usenet. Kevin Kofler hat das mit Gmane und
NNTPS schon ins Spiel gebracht, aber nicht erklärt. Newsgroups sind
gewissermaßen ein Mittelding aus Mailinglisten und Webforen. Wie
Mailinglisten sind sie nur Text, sie bieten aber im Gegensatz zu ihnen die
Möglichkeit, Beiträge nachträglich noch zu korrigieren (supersede) oder zu
löschen (cancel). Allerdings ist das Usenet derart aus der Mode gekommen,
dass heute fast keiner mehr weiß, was das ist und wie man das nutzt. So was
können wir für OSM-Diskussionen nicht ernsthaft in Betracht ziehen.
Was jetzt konkret Talk-AT vs. users:Austria angeht, stimme ich Kevin zu,
dass das Forum "ein später enstandenes Konkurrenzprodukt, das die Community
spaltet" ist. Es ist viel zu umständlich, regelmäßig ins Forum *und* in die
Mailingliste zu schauen. Diese Zweigleisigkeit wär nur dann sinnvoll, wenn -
wie eingangs erwähnt - alle kurzlebigen Themen nur in der ML behandelt
werden und alle langatmigen nur im Forum. Aber das werden erstens die User
nicht schaffen, und zweitens spricht auch der Gesamttraffic nicht für diese
Aufteilung.
Schuld an der Communityspaltung sind ganz klar diejenigen, die das Forum
eingerichtet haben. Sie hätten die Einrichtung erst mal in der Mailingliste
diskutieren müssen, mit 4 möglichen Ergebnissen: Konsens für Forum statt ML,
Konsens für beides, Konsens gegen Forum, kein Konsens. Stattdessen haben
sie, soweit ich mich erinnern kann, in der Mailingliste die Einrichtung des
Forums nicht mal erwähnt. Das Forum war plötzlich einfach da. Wie aus dem
Nichts. Sneak attack!
Aber das ist Geschichte, und wir müssen uns um die Zukunft kümmern.
Grundsätzlich kann ich mich auch mit einer Auflösung der Mailingliste
anfreunden. Ich glaube, die meisten Leute kommen mit einem Webforum besser
klar als mit einer Mailingliste. Den Knackpunkt sehe ich in der Moderation.
Sowohl ML als auch Forum sind derzeit faktisch unmoderiert. In so einem Fall
können Spammer und Netiquetteverletzer unbehelligt ihr Unwesen treiben. Dann
kann nur jeder User für sich diese Beiträge rausfiltern. Leider ist
forum.openstreetmap.org im Funktionsumfang ein bisschen steinzeitlich. So
fehlt ein Feature, das in jedem besseren Mail- oder Newsreader
selbstverständlich ist: bestimmte User zu ignorieren (d.h. ihre Beiträge
auszublenden). Somit kann das nur der Moderator machen. Den habe ich schon
mal auf den Wochennotiz-Spam angesprochen, aber er hat nicht reagiert. Dabei
ist er menschlich voll ok. Es gibt auch richtige Spaltpilze als Moderatoren,
z.B. in der Tagging-Mailingliste. Abseits von OSM kenne ich einige Webforen,
wo die Moderatoren einen Gutteil der User vertrieben haben, und die meisten
dieser Foren waren irgendwann ganz verschwunden und die Beiträge mit ihnen.
Da lobe ich mir das gute, alte Usenet. In meinem Newsreader sind noch
Threads aus 1998 gespeichert, und die Newsgroups sind bis 1995 zurück auf
groups.google.com (vormals Dejanews) archiviert und werden wahrscheinlich
noch die nächsten Jahrtausende erhalten bleiben, genauso wie die sumerischen
Tontafeln. Manchmal haben alte Technologien halt doch den längeren Atem.
--
Friedrich K. Volkmann http://www.volki.at/
Adr.: Davidgasse 76-80/14/10, 1100 Wien, Austria
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