[Talk-at] Neighbourhoods in Wien

Stefan Nagy stefan.nagy at posteo.net
Tue Jan 23 16:23:51 UTC 2018


Am Dienstag, den 23.01.2018, 06:22 +0100 schrieb Friedrich Volkmann:
> On 22.01.2018 23:41, Stefan Nagy wrote:
> > Meiner Ansicht nach sind frühere, irgendwann eingemeindete
> > Siedlungen an sich für OSM (also die Hauptdatenbank) nicht von
> > Interesse – wenn, dann als historic… Aber soweit ich das im Wiki
> > nachvollziehen kann ist das nicht unbedingt erwünscht. Relevant
> > wären solche früheren Siedlungen für OSM dann, wenn der damalige
> > Name für heutige Stadtteile verwendet wird.
> > 
> > Nikolsdorf und Hungelbrunn waren einmal. Willkürlich
> > herausgefriffenes Gegenbeispiel (glaub ich zumindest): Inzersdorf.
> > Ohne es zu wissen vermute ich, dass Leute zu dem Namen wirklich
> > einen Bezug haben. Damit wäre es ein Stadtteil – im Gegensatz zu
> > den zuerst genannten.
> > 
> > Ich persönlich fände es toll, wenn wir ehemalige Vororte u. Ä. mit
> > dem historic-Key (und dem wikipedia-Tag und wikidata-Tag)
> > einzeichenen könnten, damit zum Beispiel Leute auf der Wikipedia
> > sich die geographische Ausdehnung der damaligen Vororte ansehen
> > können. Aber wie gesagt, ich glaube sowas ist in der Hauptdatenbank
> > leider nicht erwünscht…
> 
> Es gibt historic=archaeological_site + site_type=settlement, aber das
> ist für Siedlungen, die heute nicht mehr existieren, vom Erdboden
> verschwunden sind. Es ist nicht für Siedlungen, die bis heute
> existieren und deren Bewohner nur den Namen vergessen haben.

Ja, historic=archaeological_site eignet sich wirklich nicht.

Aber wir haben wirklich ganz unterschiedliche Einschätzungen
historischer Orte…

> Das Problem mit vergessenen Namen betrifft nicht nur Siedlungen,
> sondern auch Flurnamen, Namen von Bergen, Tälern, Wäldern, Wiesen,
> Bächen, Steigen, sogar Eisenbahnen (z.B. Innere Aspangbahn, siehe 
> http://www.openstreetmap.org/way/27798063/history). Wir müssten alle
> diese Namen, die in Vergessenheit geraten sind, aus OSM heraushalten.
> Aber wie können wir als Kartografen wissen, ob ein Name in
> Vergessenheit geraten ist? Alle Anwohner im Umkreis von x km
> befragen? Das ist nicht durchführbar! 
> Google fragen? Google kennt auch Nikolsdorf...
> 
> Ich finde, bevor wir Namen wie Nikolsdorf und die Innere Aspangbahn,
> die zumindest in der Literatur belegt sind, in Frage stellen, sollten
> wir uns erst mal um die vielen falschen Flurnamen kümmern, die von
> Sofamappern ebenso wie die falschen Straßennamen unreflektiert aus
> der Basemap abgeschrieben wurden. Diese Flurnamen sind teils an der
> falschen Stelle, teils falsch geschrieben, teils sind es in Wahrheit
> gar keine Flurnamen, sondern Namen von Bergen, Wäldern usw.

Es geht nicht darum, dass der Name der nach wie vor existierenden
Vorstadt Nikolsdorf vergessen wurde; die Vorstadt existiert nicht mehr.
 

Es ist durchaus üblich, die Namen vergangener Entitäten auf neue zu
übertragen (ein Straßenzug in einer Stadt, ein Grätzl, ist schließlich
etwas völlig anderes als eine Vorstadt). Ich hab da nichts dagegen –
man muss nicht immer neue Namen erfinden und es ist nett, sich an
Vergangenem zu bedienen.

Aber wenn so eine Übertragung nicht passiert, dann ist das kein Fehler,
sondern einfach Ausdruck davon, dass die (sub)kulturelle Identität
nicht stark genug ausgeprägt war bzw. durch Entwicklungen erodiert
wurde. Vermutlich waren die Bewohner Nikolsdorf innerhalb weniger
Jahrzehnte eine kleine Minderheit der Einwohner. Und da ist Nikolsdorf
gestorben.

Die neuen Bewohner hätten den alten Namen aufgreifen und ihr Grätzl so
benennen können; dann wäre das ein neues Grätzl mit dem Namen der
ehemaligen Vorstadt gewesen – vielleicht haben sie es ja sogar getan.
Aber heute existiert weder eine Vorstadt (innerhalb Wiens) noch ein
Grätzl mit dem Namen Nikolsdorf. Was es gibt, ist historisches Wissen
darüber, was da mal war.

Wenn du von Flurnamen, Namen von Bergen, Tälern, Wäldern, Wiesen,
Bächen, Steigen etc. schreibst, dann ist das etwas völlig anderes. Ich
gehe davon aus, dass die Flur, der Berg, das Tal, die Wälder, Wiesen,
Bäche, Steige nach wie vor da sind. Wenn die ehemalige Flur jetzt eine
Ansammlung von Kreisverkehren, Parkplätzen und Hofer-, Billa-, OMV-,
usw. usf. Filialen ist, dann würde ich wieder meinen Standpunkt
vertreten: Dann ist die Flur tot. Das Shopping-Paradies kann sich
natürlich gern des alten Namens bedienen – dann ist er wieder da. Das
ändert aber nichts daran, dass die Flur tot ist.

> > Kastralgemeinden sind etwas Gegenwärtiges und damit gibt es
> > jedenfalls kein Argument sie nicht einzutragen. Aber wenn das dann
> > so ausgewertet wird, dass ich im Bezirk Margareten in der KG
> > Margarethen (und ganz abseits davon wie erwähnt in Nikolsdorf)
> > wohne, dann stimmt da was definitiv nicht… Vielleicht wäre
> > zumindest admin_level=11 statt 10 angemessener? Aus dem Wiki: 
> > "admin_level=11 kann bei Bedarf für eine weitere administrative,
> > meist nur statistische oder historische Einteilung hinzugefügt
> > werden".
> 
> Dass bezüglich des Taggings von Katastralgemeinden unterschiedliche 
> Meinungen existieren, habe ich schon angesprochen. Vorbehalte
> existieren vor allem gegen boundary=administrative. Wenn du dir aber
> die Tabell auf
> https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Tag:boundary%3Dadministrative#10_
> admin_level_values_for_specific_countries ansiehst, wird dir aber
> auffallen, dass es international üblich ist, Ortsteile mit
> boundary=administrative + admin_level=10 zu taggen. Insbesondere in
> CZ und SK, die wie wir die Katastralgemeinden aus der Monarchie
> übernommen haben, taggt man sie auf diese Weise. Auch in Österreich
> haben mehrere Mapper unabhängig voneinander für Katastralgemeinden
> diese Tags gewählt.
> 
> Angesichts der geringen praktischen Bedeutung von Katastralgemeinden
> in Wien fragt man sich natürlich, ob es wirklich Sinn macht sie in
> Karten oder in Nominatims zusammengestückelten Ortsangaben
> anzuzeigen. In ländlichen Gemeinden scheinen Katastralgemeinden aber
> durchaus von praktischer Bedeutung, so wird in Berichten von
> Feuerwehr- und Rettungseinsätzen oft die Katastralgemeinde angegeben,
> und in http://www.openstreetmap.org/note/486152 beklagt sich jemand,
> dass die Grenzen noch nicht eingezeichnet sind.

Im verlinkten Fehlerbericht erwähnt jemand, dass die Ortschaftsgrenzen
fehlen. Ich kenne die örtlichen Katastralgemeindegrenzen nicht –
vielleicht entsprechen die wirklich den gewünschten Ortschaftsgrenzen…

Auf der Wikipedia steht zu dem Thema:

"Nicht zu verwechseln mit den Katastralgemeinden sind die Ortschaften
oder Orte, ursprünglich eine Ansammlung von Häusern, die durch eine
gemeinsame Konskriptionsnummerierung zusammengefasst wurden (also
Adressbereiche). Die Begründung einer Ortschaft – immer als
Siedlungsraum – kann eine Katastralgemeinde sein, ist es aber nicht
zwingend: In einer Katastralgemeinde können auch mehrere Ortschaften
liegen, oder umgekehrt, oder die beiden Systeme keinen Zusammenhang
haben. In manchen Bundesländern sind in weiten Bereichen
Katastralgemeindegliederung und Ortschaftsgliederung bis heute
übereinstimmend, in Niederösterreich etwa werden für die allgemeine
Ortsgliederung vornehmlich die Katastralgemeinden angegeben, in anderen
Bundesländern die Ortschaften. In Tirol und Vorarlberg bezeichnet man
übereinstimmende Katastralgemeinden und Ortschaften meist als
Fraktion." (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Katastralgemeinde#Katas
tralgemeinde_und_Ort(schaft)

Wäre es angesichts dessen nicht sinnvoller, Ortschaften (bzw.
Ortsteile) als boundary=administrative + admin_level=10 einzutragen und
Katastralgemeinden mit admin_level=11?

> > > Diese Zuordnungen in Suchergebnissen auf openstreetmap.org und
> > > auch bei Map Notes sind z.T. völlig falsch, das ist nicht nur bei
> > > Nikolsdorf ein Problem. Anscheinend wird in jeder Hierarchieebene
> > > der nächste Node für die Lageangabe herangezogen, und so gehört
> > > für Nominatim der ganze Anninger zum Richardshof und vielleicht
> > > auch der halbe fünfte Bezirk zu Nikolsdorf.
> > 
> > Wäre die Lösung da nicht einfach die, keinen Node zu setzen sondern
> > eine Area zu zeichenen? Also ich kann mir gut vorstellen, dass es
> > für Nominatim nicht ganz einfach ist, das Handling der Nodes
> > weltweit zufriedenstellend umzusetzen…
> 
> Nominatim könnte vieles besser machen, aber die Priorität wurde von
> den Entwicklern nicht auf korrekte Ergebnisse, sondern auf kurze
> Verzögerung zwischen Datenedits und Aufscheinen in den
> Suchergebnissen gelegt. Jetzt die Daten inkorrekt zu mappen als
> Workaround für eine inkorrekte Auswertung würde diese
> unbefriedigenden Verhältnisse einzementieren.
> 
> Es hat schon seinen Sinn, dass place-Nodes auf Siedlungskerne
> gesetzt werden: Erstens weil die Bebauungsdichte von Siedlungen nach
> außen hin abnimmt und die Siedlungen somit unscharf begrenzt sind,
> zweitens weil Siedlungen oft zusammengewachsen sind und somit
> ebenfalls keine scharfe Grenze existiert, drittens weil man beim
> Routing zum Ortskern geroutet werden will und nicht zu einem mehr
> oder weniger zufälligen Punkt in einer Fläche. Auch wenn ich in der
> Karte nach "Wien" suche, erwarte ich, dass der Marker am
> Stephansplatz angezeigt wird und nicht etwa am arithmetischen 
> Mittelwert aus max+min lat/lon der Gemeindefläche.
> 
> Im obigen Beispiel Richardhof wüsste ich nicht, was ich alles zur
> Fläche dazunehmen sollte. Nur das Gasthaus oder auch den Parkplatz
> oder auch das Gehöft 250m WSW, oder auch den Golfplatz?

OK, verstehe. In das Tagging von places muss ich mich mal einlesen.

> > Also wenn die Häuserzeilen in der Nikolsdorfer Gasse seit der
> > Einverleibung 1850 damals in den 4. Bezirk auch nur halbwegs
> > unverändert erhalten wären, dann wäre das ein gutes Beispiel für
> > ein völliges Versagen des Österreichischen Denkmalamtes… Es gibt
> > kein einziges Gebäude vor dieser Zeit unter Denkmalschutz dort (das
> > Hartmannspital wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts erbaut). Im
> > Wien-Geschichte-Wiki haben sie eine nette Postkarte von 1912 zur
> > Illustration des Artikels zu Nikolsdorf verwendet; der Titel: 
> > "Der letzte Rest vom alten Nikolsdorf" (hier die Quelle: 
> > https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/20374
> > 68). Ich geh da immer wieder durch und erkenne nichts wieder…
> 
> Was mit dem "alten Nikolsdorf" gemeint ist, ist relativ. Was heute
> alt ist, war damals neu, und was damals alt war, war noch früher neu.
> Nikolsdorf weist eine ununterbrochene Siedlungsgeschichte von ca.
> 1560 bis heute auf, und wenn keine Häuser aus dem 16. Jahrhundert
> erhalten sind, dann liegt das halt an der geringen
> Grundwahrscheinlichkeit in Verbindung mit der geringen Ausdehnung
> dieser Siedlung. Wenn man die Nikolsdorfer Gasse runter geht und 
> dann weiter die Schlossgasse, kommt man bei Hausnr. 21 zu einer
> Tafel, wo von "uraltem Gemäuer" aus dem 14. Jahrhundert die Rede ist.
> Da wollte es halt der Zufall, dass davon noch etwas erhalten blieb.
> 
> In Wiener Neustadt blieben im 2. Weltkrieg nur 6 Häuser unbeschädigt,
> aber wie in Nikolsdorf wurden die Häuser im wesentlichen dort
> wiederaufgebaut, wo auch zuvor schon welche gestanden waren, und so
> blieb die Struktur vollkommen erhalten. Die Bewohner fühlten sich
> weiter als Wiener Neustädter, und wenn das bei den Nikolsdorfern
> anders ist, dann offenbar wegen der Fluktuation der Bevölkerung und
> dem Desinteresse an der Geschichte.
> 
> So ein Desinteresse nehme ich auch als Höhlenforscher wahr, wenn ich
> Leute wegen einer Höhle auf ihrem Grundstück kontaktiere und sie mich
> abweisen mit dem Hinweis, dass sie nichts davon wissen wollen.
> 
> Wenn wir uns nach solchen Leuten richten, müssen wir sehr viel aus
> OSM rauslöschen...

Ich bin wie gesagt mittlerweile durchaus dafür, historische Entitäten
(Gebäude, Siedlungen, Staatsgrenzen, usw. usf.) in die Datenbank
aufzunehmen; aber eben als solche.

LG,
Stefan.


-- 
E-Mails signieren & verschlüsseln · https://emailselfdefense.fsf.org/de/
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 833 bytes
Beschreibung: This is a digitally signed message part
URL         : <http://lists.openstreetmap.org/pipermail/talk-at/attachments/20180123/eb48fd4c/attachment.sig>


More information about the Talk-at mailing list